Südafrika – Migdol

Nach zwei Tagen „on the road“ hatten wir endlich Migdol gesehen!

Am Abend, zurück im Gästehaus, waren wir so müde, von all den Einrücken der letzten Tage und Stunden, dass wir zu müde waren um zu Denken und doch schlummerte die Frage unterschwellig in uns: „Und jetzt? Warum sind wir hier? Was hat dieser abgelegen Ort mit uns zu tun? Was will Gott uns hier zeigen?“

Nach einem Ruhetag, wo wir die Umgebung nur zu Fuss erkundeten, waren wir bereit für den Sonntag. Wir wollten unbedingt den Gottesdienst in Migdol besuchen, denn am Freitag hatten wir die Pastorin vor Ort kennengelernt und ihr versprochen um 09:00 Uhr vor ihrer Kirche zu stehen. Wir erhofften uns, Farmer aus Migdol kennenzulernen, um uns mit Ihnen unterhalten zu können. Aber an besagtem Sonntag wollte uns partout kein Taxi – afrikanisches Taxi versteht sich – nach Migdol fahren. Entweder hielt keines an oder dann war der Preis völlig überrissen – anscheinend sehen wir aus wie Europäer 🙂

Kurz vor 09:00 Uhr kehrten wir wieder zu unserem Gästehaus zurück um der Pastorin von Migdol zu melden, dass wir es nicht zu ihr in den Gottesdienst schaffen würden. Aber was nun? Unsere Pläne wurden ganz schön über den Haufen geworfen. Beim Gästehaus halfen wir erst unserer Vermieterin ihre Hasen, die ausgebüxt waren, wieder einzufangen. „Ach was, ihr könnt nicht nach Migdol in den Gottesdienst? Wollt ihr dann mit mir mitkommen?“ So landeten wir, statt in Migdol im Gottesdienst der Gemeinde „Ligpunt Gemeenskap Schweizer-Reneke“.

Am Ende des Gottesdienstes, von dem wir nur einzelne Wörter verstanden hatten, fragte die Pastorin, ob die Gemeinde uns segnen dürfe. Natürlich sagten wir nicht „Nein“ zu einem „Segen“ und gingen nach Vorne. Wir teilten kurz mit warum wir hier waren und dann wurde für uns gebetet.

Ein junges Ehepaar aus der ersten Reihe war sehr berührt von unserem Erzählen und sie wollten sich sehr gerne mit uns treffen. Zu unserer Überraschung kam dieses Paar aus Migdol und sie luden uns spontan zum Mittagessen ein. So kamen wir am Sonntag doch noch nach Migdol und erst noch auf eine Farm! Unglaublich!

Aber es gab noch mehr zu Staunen. Auf der Fahrt zur Farm erfuhren wir, dass den beiden Bildung ein grosses Anliegen ist und sie sich insbesondere mit dem Thema „Homeschooling“ befassen. Sie beten schon seit längerem für eine Veränderung in ihrer Umgebung. Ihnen liegt die Versöhnung zwischen den Menschen insbesondere der schwarzen und weissen Menschengruppe auf dem Herzen. So vieles das auch uns bewegt…

Das kann nur Gott gewesen sein, der uns so zusammengeführt hat.

Seit dieser ersten gemeinsamen Begegnung, beten wir zu viert ein Mal in der Woche zusammen und suchen Gott und seinen Willen für diesen Ort.

Südafrika – wir kommen!

Nach einem langen Flug hatten wir endlich südafrikanischen Boden unter den Füssen. Wir wurden am Flughafen in Johannesburg abgeholt und unsere erste Nacht verbrachten wir auf der YWAM Base in Potchefstroom. Wir waren sehr dankbar für diesen Kontakt, denn wir fühlten uns sehr willkommen und unterstützt von Familie Vorster.

Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zur Busstation um möglichst nahe an Migdol heranzufahren. Reisen in Südafrika ist ein anderes Thema, welches in sich selbst einen Blogeintrag wert wäre. Ich glaube am einfachsten zusammengefasst ist das Thema mit dem Satz: „Die Zeit gehört nicht dir“ 🙂

Das Gefühl als wir aus dem Bus ausstiegen, vergesse ich wohl mein ganzes Leben lang nicht. Der Bus liess uns bei einer Kreuzung einem Stopp-Schild aussteigen und brauste davon. Da standen wir nun in der heissen Mittagssonne und drehten uns um einmal im Kreis um uns zu orientieren. Ich hatte das Gefühl David und ich fallen auf wie bunte Hunde. Ich kam mir sehr verletzlich und verloren vor. Wie klein wir doch waren und wie riesig gross und fremd dieses Land!

Wir schulterten unsere Taschen und machten uns auf den Weg zum Gästehaus, das wir für zwei Nächte gebucht hatten. Unterwegs hielten wir Ausschau nach einem Taxi, das uns später nach Migdol fahren würde. Dies sahen wir als einzige Möglichkeit um an unser Ziel zu gelangen.

Unser Fussweg führte uns an einer Kirche vorbei und David überlegte laut, ob dies wohl die Kirche sei von einem Pastor mit dem er kurz Kontakt gehabt hatte, aber plötzlich keine Antwort mehr erhielt. Von Menschen wurden wir hereingewunken, als wir den Namen des Pastors nannten und wirklich, im Inneren des Gebäudes, stellte sich ein Mann als Pastor Ekkerd vor. Er servierte uns ein einfaches Mittagessen und setzte sich mit uns an einen Tisch. Wir kamen ins Gespräch und bald bot er uns an, uns am Nachmittag mit dem Auto nach Migdol zu fahren. Das war mehr als wir zu hoffen gewagt hatten. Schon am ersten Tag hatten wir die Chance nach Migdol zu fahren und erst noch mit jemandem, der die Gegend hier in- und auswendig kannte.

So richteten wir uns kurz im Gästehaus ein und wurden dann abgeholt. Auf der Fahr nach Migdol erfuhren wir viel über die Gegend, deren Bewohner und über die Gepflogenheiten dieses Landes. Wir fuhren neben Baumwoll- und Sojafeldern vorbei, an hohen Maispflanzen und verschiedenen Arten von Antilopen. Schon von Weitem sahen wir die grossen Silos von Migdol. Darin wird Mais und Getreide gelagert. Nebst diesen Silos gibt es ein paar Häuser in der näheren Umgebung und einen Laden mit landwirtschaftlichen Geräten. – Ich kam mir vor wie in einer Landi in der Schweiz 🙂 – Weiter gibt es noch viele kleine Häuser, die von der Regierung gebaut wurden, um Menschen mit wenig oder keinem Einkommen unterzubringen. Jeden Monat erhalten die Bewohner dieser Siedlung Geld vom Staat, um sich das Nötigste kaufen zu können. Für die Kinder aus den Regierungsgebäuden gibt es vor Ort eine Schule aber für die Erwachsenen gibt es wenig bis gar keine Arbeit. Migdol ist umgeben von riesigen Landflächen, die den umliegenden Farmern gehören.

Das war das Migdol, das wir am ersten Tag kennenlernten.

Südafrika – und jetzt?

Ja, was sollten wir nun tun mit diesem Migdol in Südafrika? Einfach mal so hinfahren? Ist ja nicht gleich um die Ecke…

… und doch liessen uns diese Worte, die wir mitten in der Nacht erhalten hatten, nicht los. Mit der Zeit setzten sich immer mehr Puzzleteile zusammen. Über JMEM (Jugend mit einer Mission) bekamen wir Kontakt zu Menschen die „in der Nähe“ von Migdol leben. Diese wiederum gaben uns weitere Kontakte an und David stand schon bald in Mailkontakt mit mehreren Personen.

Schon vor längerer Zeit lernten wir jemanden kennen, der uns von „Farming Gods Way“ erzählte und was für grossartige Erfolge mit dieser Art Landwirtschaft zu betreiben, erzielt wurde. Könnte dies etwas sein, das nach Migdol passen würde?

Immer stärker wurde uns bewusst, dass wir uns nur vor Ort ein Bild machen konnten. So planten wir innerhalb von wenigen Tagen einen Aufenthalt in der Nähe von Migdol. Wir hatten nur ein kurzes Zeitfenster für unserer Reise, doch wir sagten uns: „Lieber kurz als gar nicht.“

So brachten wir unsere Kinder unter und machten uns mit grossen Erwartungen, aber auch mit zitternden Knien, auf den Weg nach Afrika.

Dieser Gedanke, dass es in Südafrika gefährlich ist, hatte sich in meinem Kopf irgendwie festgesetzt und in meinem Kopf herrschte ein Kampf der Gedanken. Welcher Stimme schenkte ich Gehör? Derjenigen, die mir Angst machen wollte, oder der anderen Stimme, die mir zuflüsterte: „Vertraue mir. Entspann dich. Ich stärke dir den Rücken.“

Der schwierigste Punkt unserer Reise war für mich unsere Kinder zurückzulassen. Der Abflug von Zürich fühlte sich für mich an als würde ich mich nochmals von ihnen verabschieden. Mitnehmen wollte ich sie aber auch nicht, da ich immer noch das Gefühl hatte, wir fliegen in ein gefährliches Land.

Ganz viele Fragen gingen mir durch den Kopf: Würde es meine Kindern gut gehen? Was wäre, wenn sie sich verletzen würden und ich wäre nicht da? Was wäre, wenn uns etwas zustossen würde? Was wäre, wenn jemand von uns krank werden würde? Was wäre, wenn wir nicht rechtzeitig zurückreisen könnten? Was wäre, wenn…? All diese Sorgen stürzten auch mich ein. Da kam mir ein Zitat einer Romanfigur aus einem Buch, welches ich kürzlich gelesen hatte, in den Sinn.: „Dass wir die Kontrolle haben ist eine Illusion. Wenn alles im gewohnten Gang geht, wiegen wir uns in Sicherheit und denken wir hätten die Dinge unter Kontrolle. Doch das ist eine Täuschung.“

Ich würde mein Leben und das Leben unserer Kinder nicht mehr oder weniger unter Kontrolle haben, selbst wenn ich in der Schweiz bleiben würde und so liess ich bewusst los und flüsterte: „Ich vertraue Dir.“

Südafrika – wie alles begann

Die letzten Tage verbrachten David und ich in Südafrika. „Schön, macht ihr da Ferien?“, fragte mich eine Frau aus dem Bekanntenkreis. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, was ich ihr darauf antworten sollte. Waren es wirklich Ferien, die wir dort verbrachten? „Nein, auf keinen Fall… und doch auch ein bisschen…“ Wie kommt es dazu, dass wir unsere Kinder in der Schweiz zurücklassen und für ein paar Tage auf einen anderen Kontinent fliegen nur um dort eine Ortschaft aufzusuchen, die nicht einmal mit einem öffentlichen Verkehrsmittel erreichbar ist? Eine Ortschaft niemand kennt? Wir eingeschlossen 🙂 – Dazu muss ich wohl etwas ausholen.

Im Oktober 2021 wachte ich eines Nachts mit dem Wort SÜDAFRIKA vor meinen Augen auf. Draussen regnete es und im Halbschlaf betete ich für Regen in Südafrika. – Keine Ahnung, ob ich den Bewohnern dieses Landes einen Gefallen tat damit oder nicht – Mein innerer Dialog mit Gott war: „Du schickst uns nicht echt dorthin, oder? Dort ist es gefährlich!“ – „Aber auch wunderschön“, meinte ich eine Stimme in meinem Inneren sagen zu hören. „Wenn das so ist, musst Du Dich um alles kümmern: Reise, Kontakte, Flüge, Geld,… schlichtweg ALLES“. Damit war das Thema Südafrika für mich abgeschlossen. Was sollten wir an einem unbekannten Ort, an dem wir niemanden kannten? Was für eine verrückte Idee! Und doch horchte ich in den nächsten Tagen jedes Mal auf, wenn irgendwo das Wort Südafrika fiel.

Wenige Tage später während der Anbetungszeit meinte jemand aus der Gruppe: „Ich habe das Gefühl, dass manche auf einem sinnbildlichen Berg stehen aber sie wollen nicht auf den nächst höheren Berg, weil dies bedeutet ins Tal hinabzusteigen, um dann den anstrengenden Aufstieg in Angriff zu nehmen.“ Innerlich dachte ich: „Ja, ich bin gerne auf dem Berg in der Nähe Gottes, aber vielleicht ist es gut hinabzusteigen.“ Beim Abstieg fühlte es sich an als würde ich etwas entdecken, das Gott auf dem Herzen liegt. Da kam mir einen Bibelstelle in den Sinn aus Lukas 10, 2: „Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Wen soll ich senden?“ Mit dieser Frage wurde ich in meine Jugendzeit zurück katapultiert. Damals hörte ich eine CD rauf und runter und sang bei allen Liedern mit, ausser bei einem; denn da sang der Sänger: „Here am I send me“ (Hier bin ich sende mich). Da sang ich nie mit, denn wer weiss schon, was Gott vorhat. Er könnte mich ja nach Afrika in den Busch schicken und dort müsste ich ein Leben mit lauter Entbehrungen führen und das wollte ich auf keinen Fall!

Und hier stand ich nun, 20 Jahre später, und es war als würde Gott mich fragen: „Bist du bereit zu gehen? Egal wohin ich dich sende? Darf ich dich senden?“ Was für eine Frage! Ich führte einen inneren Dialog mit Gott und sagte mit Tränen in den Augen: „Du weisst, dass ich nicht Nein sagen kann. Aus Liebe zu Dir werde ich es tun. Nicht weil ich muss, nicht weil ich gehorsam sein will, sondern einfach weil ich Dich liebe. Du hast Dich in den letzten Jahren als vertrauenswürdig erwiesen. Ich vertraue Dir auch wenn ich Angst habe. Du kannst mich senden.“ Ich wusste es würde mich extrem viel viel kosten, aber ich wusste auch, wenn ich es nicht tun würde, würde ich es für immer bereuen.

Etwas später kam mir wieder in den Sinn, was ich vor wenigen Nächten geträumt hatte – Südafrika. Echt jetzt? Was hatte Gott nur vor mit uns? Was sollten wir dort? Wo genau sollten wir hin?

Wenige Nächte später wachte David auf mit einem Lied von Martin Pepper „Du bist ein starker Turm, Du bist das Auge im Sturm…“ und dem Wort „Migdol“. Nach ersten Nachforschungen fand er heraus, dass Migdol auf hebräisch Turm bedeutet und zu unserer Überraschung gibt es einen Ort in Südafrika, der Migdol heisst.

Gespannt beteten und warteten wir, wie Gott uns weiterführen würde.

Soli Deo Gloria

Soli Deo Gloria – Gott allein die Ehre! Das ist eine Herzenshaltung, die wir schon seit mehreren Jahren üben. Angefangen hat das in unserer DTS (Jüngerschaftsschule von Jugend mit einer Mission), als eine Mitstudentin am Ende des Tages vorschlug eine „Thankfulround“ zu machen. (Eine Runde, in der jeder sagt wofür er/sie dankbar ist, wobei niemand wiederholen darf, was ein anderer vorher schon gesagt hat. Etwas später arbeiteten wir mit einer Familie zusammen, die auch etwas ähnliches tat. Für sie war es wie ein Tischgebet. So haben diese „Dankbarkeitsrunden“ auch in unserer Familie Einzug gehalten.

Wir haben diese Runden schon in allen möglichen und unmöglichen Situationen gemacht. In Situationen, in denen alles rund lief und unsere Herzen von Dankbarkeit überflossen und wir beinahe kein Ende fanden mit Danken. Wieder andere Situationen gab es, in denen wir lieber „Jammerrunden“ gemacht hätten als „Dankbarkeitsrunden“, denn das Jammern wäre uns viel einfacher gefallen. In diesen Momenten war es extrem schwierig etwas zu finden, wofür man dankbar sein kann. Und doch – nach einer Runde mühsamem Suchens wofür man – um Himmels willen – dankbar sein könnte, wenn der Tag einfach nur „versch…“ gelaufen ist, setzt mein Mann uns manchmal die Herausforderung noch eine zweite Runde zu machen. „Kommt schon! Was gibt es sonst noch etwas, wofür wir wir dankbar sein können!“ und die Suche geht von vorne los. Die Stimmung am Tisch verändert sich spürbar. Wir hören, wofür andere dankbar sind und finden etwas wofür wir dankbar sein können und wir merken, dass es uns eigentlich gar nicht so schlecht geht, wie wir gedacht haben. Der Strudel mit negativen Gedanken, der uns gefangen nehmen will und in dem wir uns um uns selbst drehen wird unterbrochen.

In den abstrusesten Situationen haben wir Dankbarkeitsrunden gemacht. Beispielsweise als David mit zwei Freunden auf der Autobahn in England eine Autopanne hatte, das geliehene Auto in die Werkstatt bringen musste und die Ausstellung unseres Parkour-Panels in der Schwebe stand, weil das das Material im geliehenen Auto zum Aufbau gebraucht wurde; Oder am Ende des Geldes immer noch so viel Monat übrig war; Oder wir in England im Einsatz waren mit einer DTS und mit den Studenten und der Finanzierung einfach alles zu viel wurde und wir nicht wussten, ob die DTS überhaupt zu Ende durchgeführt werden konnte…

All dieses Suchen nach dem Guten, nach dem wofür wir dankbar sein können, endet für mich immer wieder in dem einfachen Satz – Gott allein die Ehre! Zu Beginn eines neuen Jahres überlege ich mir gerne, was ich mir für das neue Jahr wünsche oder unter welchem Satz ich in das neue Jahr starten will oder welcher Satz mich im neuen Jahr begleiten soll. Dieses Jahr wird es – Soli Deo Gloria.

Eine Meldung aus Frankreich

Nun melde ich mich auch wieder einmal zu Wort. 🙂 Die letzten Wochen waren vollgepackt mit Vorbereitungen für unseren Aufenthalt im Süden Frankreichs. David und ich sind nun seit wenigen Wochen Teilnehmer einer Schule für Anbetung, Fürbitte und Prophetie. (WIP School – YWAM Cévennes / YWAM Cévennes (jem-cevennes.com)

Was hat uns bewogen diesen Schritt zu gehen? Tja, das habe ich mich auch schon gefragt: „Echt jetzt? Nochmals eine Ausbildung? Wird es nicht langsam Zeit sesshaft zu werden oder in einen Dienst einzusteigen oder einen Dienst aufzubauen?“ Offensichtlich nicht, denn das Verlangen hierher zu kommen hat während den ganzen Vorbereitung und Hürden, die zu überwinden waren, nicht nachgelassen und mein Wunsch drei Monate in der Gegenwart Gottes zu verbringen ist nur noch intensiver geworden. (Obwohl es sicher genügend verstandesmässige Gründe gab/gibt nicht zu gehen).

Eine Heidenangst hat mir dieser neue Schritt gemacht. Es ist nicht so sehr das Weggehen, das ich fürchtete, sondern genauso das Bleiben. Das Bleiben an einem Ort, bequem zu werden und nicht mehr beweglich und spontan zu sein. Ich begann mich vor der Bequemlichkeit zu fürchten. Ich fürchtete meinen Hang zur Sicherheit, der zunahm. Ich fürchtete mich vor einer Abhängigkeit von einem Job oder einer Institution, denn alles was ich wollte und will ist, meinem Gott zu folgen, Neues zu entdecken, Menschen zu treffen und ihnen zu dienen, Länder und Kulturen zu erfahren, Königreich Gottes zu bauen… Vielleicht fürchte ich auch, dass ein Prophet in seinem Land nichts gilt, dass meine Stimme verklingt ohne gehört zu werden, meine Lebendigkeit im Treiben des Alltags verschüttet wird, mein Sehnen keine Nahrung bekommt und durch verstandesmässige Antworten zum Schweigen gebracht wird.

Darum sind wir hier, umgeben von der Geschichte der Hugenotten, der Seidenspinnerei und dem Mittelalter und machen unsere Herzen auf, um zu erfahren, was Gott auf dem Herzen hat und um seine Gegenwart zu erfahren.

Abenteuer (er) Leben

Das Leben ist für mich seit mehreren Jahren sehr abenteuerlich. Hätte mir jemand vor 20 Jahren gesagt, dass ich mit 40 anfangen würde ein Buch zu schreiben, zu bloggen, mit YWAM (JMEM – Jugend mit einer Mission) zu arbeiten, unsere vier Kinder zu „homeschoolen“, viel unterwegs zu sein und kein geregeltes Einkommen zu haben, hätte ich wohl gelacht, den Kopf geschüttelt und gesagt: „So etwas würde ich nie machen!“ Damals stellte ich mir mein Leben beschaulich und geordnet vor, ab und zu mal eine Reise wäre sicher toll aber so viel Unvorhergesehenes… Nein, nein dafür bin ich viel zu ängstlich und mache mir zu viel Sorgen.

Ich schreibe bewusst, ich bin ängstlich. Das bin ich immer noch, aber etwas hat sich in den letzten 20 Jahren verändert. Wer oder was hat diesen Wandel gebracht? Ich glaube die grösste Veränderung hat Gott in mein Leben gebracht, in dem er mir immer und immer und immer und immer und….immer wieder gezeigt hat, dass er treu ist indem er uns versorgt. In Matthäus 6, 25-34 erzählt Jesus wie die Blume auf dem Feld gekleidet sind und die Spatzen versorgt werden, obwohl diese nicht säen und ernten und Gott versorgt sie doch. Jeder Tag sorgt für sich selbst, eine Lektion, die schon das Volk Israel in der 40 jährigen Wüstenwanderung mit dem täglichen Manna erleben durfte.

Es war ein steiniger Weg. Wir aus der sicheren Schweiz können uns oft nicht vorstellen, wie es ist von Tag zu Tag zu leben. Ich mag mich an eine Situation erinnern als unsere Älteste noch klein war: Sie sass im Kinderwagen und ich spazierte mit ihr nach Hause. Auf dem ganzen Heimweg hatte ich ein Gespräch mit Gott (Nein, es waren wohl eher Vorwürfe, die ich ihm machte): „Ist das dein Ernst Gott? Wie soll ich mit 30 Franken für eine ganze Woche Lebensmittel einkaufen? Sieht so deine Versorgung aus? Wie soll das gehen?“ So ging das den ganzen Heimweg. Ein paar Wochen später… gleiches Szenario. Ich schiebe unsere Tochter mitsamt den Einkäufen im Kinderwagen nach Hause. Wieder hatte ich nur 30 CHF zur Verfügung gehabt, doch mein Herz sang ein anderes Lied als noch vor ein paar Wochen: „Danke Gott für die 30.- Franken. Ich konnte so viel damit kaufen… und das die Windeln die wir so dringend brauchten grad aktion waren, war ja super-duper. Für die nächsten paar Tage haben wir zu essen. Danke für deine Versorgung.“

Was hatte sich verändert? Auf jeden Fall nicht die Umstände! Aber mein Herz und meine Gedanken fingen an sich zu verändern. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass noch nie jemand von uns hungrig vom Tisch aufstehen musste (jedenfalls nicht freiwillig) ;-). So wie Paulus im Brief an die Philipper (Kapitel 4) sagt: „… konzentriert euch auf das, was wahr und anständig und gerecht ist. Denkt über das nach, was rein und liebenswert und bewunderungswürdig ist, über Dinge, die Auszeichnung und Lob verdienen….“ und so führt uns Gott durch ein ziemlich verrücktes Leben. Ein Leben voller Abenteuer, die mir manchmal etwas zu gewagt erscheinen und doch spüre ich oft einen Schubser, den nächsten Schritt zu wagen und wenn ich dann zurückschaue kann ich nur staunen über all das, was wir erlebt haben. Wo wir Menschen segnen durften und wo wir gesegnet wurden, wo wir an Grenzen kamen und wo wir neue Erkenntnisse gesammelt haben, wo wir gelernt haben und gewachsen sind und wo wir Wunder erleben durften. Das Leben fühlt sich farbig und lebendig an.

So wünsche ich uns allen diese Schubser, die uns ins nächste Abenteuer tragen!

Loslassen

„ Wann sind unsere Kinder so gross geworden? Wie und wann ist denn das passiert?“ Wenn ich mir diese Frage stelle, heisst das doch, dass ich nun schon etwas älter bin. Oder? Wir waren sehr jung, als wir unsere Kinder bekamen und ich fühlte mich immer als junge Mutter, aber nun ist unser Jüngster schon 10 Jahre alt und ich merke, dass ich nicht mehr so gut abschätzen kann, wie alt Kleinkinder sind, da ich keine Vergleichsmöglichkeiten mehr habe; ich habe keine Ahnung mehr welche Babykleidergrösse einem Baby mit 4 oder 8 Monaten passt (Da war ich mal sattelfest 😉); ich habe mich an Nächte gewöhnt, die nicht mehr unterbrochen werden; ich habe beinahe vergessen, wie Zeitaufwändig der Alltag mit Kleinkindern ist; wickeln, stillen, Essen schneiden, stundenlang Bilderbücher anschauen, Berge von Wäsche abtragen (um ehrlich zu sein, ist der Berg nicht wesentlich kleiner geworden, nur die Kleidungsstücke etwas grösser).

Ja, da geht eine Ära in unserer Familie zu Ende und oft frage ich mich, wenn ich unsere Grosse anschaue: „Haben wir ihr alles beigebracht, was sie wissen muss, um in der grossen, weiten Welt zu bestehen? Weiss sie worauf es im Leben ankommt? Haben wir ihr ein gutes Fundament mitgegeben?“ Dann wünsche ich mir gleichzeitig, dass sie immer gute Entscheidungen trifft, ehrlich zu sich selbst stehen kann und ihr Leben auf einen Felsen baut. Mit ihren 16 Jahren ist sie noch nicht dabei eine eigene Wohnung zu suchen, aber die Zeit mit ihr im engsten Familienkreis neigt sich dem Ende zu und bald wird sie losziehen um die Welt zu erobern.

Ist es Gott wohl so ergangen als er Adam und Eva „aufwachsen“ sah und sie dann hinaus in die Welt sandte, weil die Zeit reif war? Er wusste, dass er darauf vertrauen musste, dass das was er ihnen gelernt hatte während der Zeit im Garten zu gegebener Zeit, wieder in den Sinn kommen würde. Aus der Geschichte wissen wir, dass dies leider nicht so gut funktioniert hat. Die Menschen haben Gott vergessen und die Flut kam, weil Gott sonst Gefahr lief, dass auch Noah, der zu dieser Zeit der einzige war, der Gottes Stimme noch hörte, diese Fähigkeit auch noch verlor.

Doch durchs Band hinweg zeigt Gott im Alten Testament immer wieder wie er versucht die Menschen aus der Dunkelheit zu holen. Mit dem Volk Israel hat er ein Volk erwählt um durch dieses, die ganze Welt zu segnen. Das Volk hatte dies aber nicht so ganz begriffen, besonders nach den 400 Jahren Sklaverei, war dringend ein Aufbau von einigen Werten im Volk nötig. Die 40 Jahre in der Wüste waren so ein „erwachsen werden“ und Reifen für ein ganzes Volk. Der Prophet Hosea schreibt im 11 Kapitel: „…Ich hatte Ephraim laufen gelehrt und sie auf meine Arme genommen… “ Ich glaube Gott hat diese innige Zeit mit dem Volk Israel in der Wüste genossen. Er konnte ganz nah bei Ihm sein, so wie eine Mutter ihr Kind zu Welt bringt und dann nach und nach loslässt: loslassen aus dem eigenen Körper; loslassen, weil das Kind die Muttermilch nicht mehr benötigt; loslassen, weil das Kind nun selbst gehen kann; loslassen, wenn es für einige Stunden von jemand anderem betreut wird…  immer wieder loslassen, bis das Kind auszieht, flügge wird, eigenständig lebt, selbstständig entscheidet, selbst eine Familie gründet und seinen Teil in die Welt und die Gesellschaft einbringt. Die Eltern werden zu Grosseltern und vielleicht sogar zu Urgrosseltern.

Doch mit Gott ist es etwas anders. “Gott hat keine Grosskinder“, wie eine weise Freundin von mir einmal gesagt hat. Stimmt – unsere Kinder sind Gottes Kinder, genauso wie ich ein Kind Gottes bin. Gut zu wissen, dass ich meine Kinder, wenn sie aus dem Haus gehen, in Gottes Hand wissen darf. Ich gebe mein Bestes hier und jetzt und doch werden sie früher oder später eigene Entscheidungen treffen. Loslassen – ein Wort, das nicht immer einfach ist in der Umsetzung.

Besuch in der Vergangenheit

Wir reihen uns ein in den Strom der Reisenden nach Süden. Der Gotthard, das Nadelöhr, lässt den Verkehr verlangsamen. Die Kirche von Wassen dürfen wir lange anschauen 😉 Aber „jetzt halt“ – Wir sind unterwegs! – Unterwegs an einen Ort, den wir gut kennen. Einen Ort, den wir für etwas mehr als ein Jahr belebt haben. Einen Ort, an dem wir geträumt und gehofft haben. Ein Ort, an dem wir Tränen vergossen haben (vor allem ich) und schliesslich schweren Herzens wieder verlassen haben.

Nun sind wir also wieder da, diesmal nur für ein paar Tage. Für uns und unsere Kinder ist es wichtig uns unseren Gefühlen, die hier aufkommen zu begegnen, und uns all den Erinnerungen zu stellen (den guten wie auch den schlechten). Was suchen wir hier? Frieden? Versöhnung? Erinnerungen?

Ein Blick in die Vergangenheit ist wichtig, auch um uns zu erinnern, aber dann kommt auch wieder der Punkt, wo wir unsern Blick nach vorne richten müssen. Das Leben geht weiter. Egal wer oder was uns verletzt hat, wir stehen vor der Entscheidung; lassen wir uns vom Vergangenen bestimmen oder sagen wir uns: „Ich gehe weiter alles was hinter mir ist hat mich geprägt, aber es bestimmt nicht mein heute und mein morgen.“

Manchmal wäre es vielleicht einfacher und bequemer sich nicht mit sich selbst auseinanderzusetzen. Denn seien wir ehrlich; es ist Arbeit, oftmals sehr schwere Arbeit, sich mit all den verletzten Gefühlen, antrainierten Verhaltensweisen oder geplatzten Träumen auseinanderzusetzten und doch denke ich, dass sich dieser Prozess lohnt.

Wir schaffen nun neue Erinnerungen an diesen Ort. In den letzten Tagen haben wir mit einem Team aus YWAM Olten einen Kurzeinsatz gemacht. Das sind neue Erinnerungen! Erinnerungen an gemeinsame Gebete in der kleinen Steinkirche, Erinnerungen an ein kaltes Bad im Bach, Erinnerungen an die schweisstreibende Holzschlepperei, Erinnerungen an lange Gespräche und UNO spielen bis das Tageslicht verschwunden ist.

Nach einem Blick in die Vergangenheit machen wir uns auf und richten unseren Blick wieder nach vorne. Welche Abenteuer warten da noch auf uns?

Fürchte dich nicht

Ich habe viel geschrieben in letzter Zeit. Nicht dass ich hier einen Blog veröffentlicht hätte oder so 😉 Ich schrieb für eine andere Instanz. Unser jährlicher Bericht an das Schulinspektorat stand an. Da wir drei unserer vier Kinder homeschoolen ist das eine jährliche Aufgabe von uns. Wie jedes Jahr denke ich: „Himmel, was haben wir in diesem Jahr nur gemacht? Was haben unsere Kinder nur gelernt? – Nichts! Wir sind hoffnungslos im Rückstand? Was tun wir da eigentlich?“ Und dann fange ich mit dem Schreiben an, gehe die Notizen durch, die ich mir gemacht habe und staune über all das, was wir erlebt und welche Fortschritte unsere Jungs gemacht haben. Eigentlich solle ich es wissen, aber jedes Jahr falle ich wieder darauf herein. 🤪

Ist es nicht auch ähnlich mit anderen Dingen in unserem Leben? Wir machen uns Sorgen, schieben Panik und alles nur, weil wir so schnell vergessen. Kürzlich habe ich gehört, dass 365 Mal in der Bibel stehen soll: „Fürchtet euch nicht“. Ich habe etwas nachgeforscht, aber so „hurti schnäu“ die ganze Bibel nach diesen Worten zu durchsuchen, konnte ich dann doch nicht, also weiss ich es nicht. Aber ob jetzt da 122 oder 460 Mal „Fürchte dich nicht“ steht, die Aussage bleibt dieselbe. Oft werden diese Worte Menschen zugesprochen, die vor einer neuen Herausforderung stehen; Maria, als sie Jesus erwartete; Josua, als er das Volk Israel nach Kanaan anführen soll; Abram, als Gott ihm erscheint und mit ihm den Bund schliesst; Hagar, als sie in der Wüste ist und nicht mehr weiter weiss; … Darum nehmen doch auch wir diesen Zuspruch für uns: „Kommt, lasst uns nicht ängstlich sein und uns nicht fürchten und lasst uns fröhlich mit Gott durch diesen Tag gehen.“