Sünde II

Ist es denn wahr, dass sich Gott am Kreuz von Jesus abwenden musste, weil er sündig war, bzw. zur Sünde für uns wurde?

Das stärkste Argument dafür ist, dass Jesus es selber sagt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Markus 15,34; Matthäus 27,46). Das stärkste Gegenargument dazu ist, dass Jesus hier Psalm 22 zitiert. Die Menschen rund um Jesus kannten viele Teile der Bibel auswendig. Man musste nur den Anfang eines Abschnittes beginnen und die Leute wussten sofort, worum es ging. Deshalb wussten die Leute auch sofort, dass Gott sich nicht von Jesus abgewannt hatte, denn der Psalmist sagt in Vers 25, dass ER „sein Angesicht nicht vom Elenden abgewandt“ hat.

Jesus hat hier nicht einfach rational einen theologischen Sachverhalt vermittelt, sondern konnte dank den Worten David’s seinem Schmerz und seinem Empfinden Ausdruck verleihen. Genau so „Gott verlassen“ musste sich Jesus gefühlt haben und gleichzeitig Ermutigung gefunden haben in den tausend Jahre alten Worten.

Weitere Gegenargumente finden wir auch in der Tatsache, dass Jesus, in dem die Fülle der Gottheit lebendig war (Kol. 2, 9), nie ein Problem hatte mit Sünder*innen zusammen zu sein. Und auch Gott selbst hatte kein Problem das sündige Paar aufzusuchen und ihnen Nahe zu kommen nach ihrem Abfall in die Sünde.

Eitan Bar weist in seinem Artikel „Hat Gott einen kosmischen Selbstmord begangen?“ auf die verstandesmässig verstörende Frage hin: War nun Jesus in diesem verlassenen Moment nicht mehr Teil der Dreieinigkeit oder hat sich Gott selbst verlassen?

Ich kann der Theorie, dass Gott Jesus am Kreuz verlassen hat, auch verstandesmässig nichts mehr abgewinnen. Ich glaube, sie ist nicht nur falsch, sondern führt uns dazu uns von Menschen abzuwenden, wenn sie uns am dringendsten nötig haben.

Shabbat Shalom!

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