Ein Schlüssel zu Weihnachten

Zu Weihnachten habe ich einen Schlüssel bekommen, mit dem Hinweis, dass irgendwo im Haus ein Möbelstück steht, zu dem der Schlüssel passt. Hmm?

Am nächsten Tag ging die Suche los. Mit mehreren Kindern im Schlepptau durchsuchten wir alle möglichen und unmöglichen Orte und Winkel im ganzen Haus. In der Garage wurden wir fündig. Unter einem Tuch kam ein unscheinbares Möbel zum Vorschein und nachdem ich mit dem Schlüssel die Tür aufgemacht hatte, entdeckte ich eine Nähmaschine. Bei näherem Hinschauen entdeckte ich vier Schubladen voller Nähutensilien und einen Lift mit welchem die Nähmaschine auf die Oberfläche gehoben werden oder bei nicht Verwendung wieder versenkt werden kann. Ein fabelhaftes Geschenk! 😊

Ein paar Tage später nehme ich mir die Zeit das ganze Möbelstück mitsamt Inhalt zu putzen und zu sortieren. Ganz offensichtlich wurde die Nähmaschine benutzt, viele Gebrauchsspuren zeugen davon und doch ist sie in einem guten Zustand. Mit einem Putzlappen bewaffnet, öffne ich die erste Schublade und leere erst mal alles aus.

Es gibt Knöpfe in allen Farben und Formen, eine Nähnadel in der Grösse von einer Stricknadel, drei alte Fotos und viel Krimskrams – von dem ich teilweise nicht einmal weiss wozu ich es benützen soll-, Elastikbänder, Nähfaden in allen Farben, die ich gerne nach Farben ordne (diejenigen unter euch die pure Freude empfinden, wenn sie eine Schachtel voller Farbstifte öffnen, um die ordentlich sortierten Farben zu bewundern, wissen was ich meine). Was Bohreinsätze und Laubsägeblätter in einem Möbel für Nähutensilien zu tun haben ist mir allerdings schleierhaft.

Viele Gedanken gehen mir durch den Kopf als ich mich durch Fadenspulen, Massbänder, Reissverschlüsse, Knöpfe und Nadeln wühle. „Wem das alles wohl einmal gehört haben mag? Wer mag die Person gewesen sein? Hatte sie Familie? Kinder? Was hat die Person wohl genäht an dieser Nähmaschine? Wusste sie, dass es ihr letztes Mal sein würde, als sie das letzte Stück nähte? Warum wurde dieses Nähmaschinenmöbel mitsamt Inhalt ungesehen verkauft? Welche Wünsche und Träume hatte die Person? Was für ein Leben hat sie geführt?…„

Alles Fragen auf die ich keine Antwort weiss und wohl auch nie ein bekommen werde.

Jeder Mensch schreibt mit seinem Leben eine Geschichte. Jeder bringt seine Einzigartigkeit auf diese Welt. Manche leben im Verborgenen und wieder andere werden von vielen gesehen. Und doch hat jeder seine eigene Geschichte. Viele von uns mögen keine Heldentaten wie Mutter Theresa oder Martin Luther King vollbracht haben. Doch… ist es nich auch heldenhaft die Eltern zu pflegen wenn sie älter werden? In der Nacht aufzustehen, wenn ein Kind weint? Ist es nicht heldenhaft freundlich zu seinem griesgrämigen Nachbarn zu sein? Ist es nicht heldenhaft ein Geschäft zu führen und für seine Mitarbeiter ein offenes Ohr zu haben? Ist es nicht heldenhaft einer Person ein Lächeln zu schenken, obwohl der Tag für einen selber sehr schlecht läuft? Ist es nicht heldenhaft bei der Aktion „zwei mal Weihnachten“ mitzumachen? Ist es nicht heldenhaft der einsamen Nachbarin von den selbstgemachten Güetzi zu bringen? Ist es nicht heldenhaft Socken oder Decken für Flüchtlinge zu stricken?… Dies alles sind Heldentaten des Alltags für mich. Heldentaten deshalb, weil wir in diesem Moment nicht uns selbst im Blick haben sondern von uns weg schauen. Wir schenken einen Teil von uns.

Ich weiss nicht was in den nächsten Tagen, Monaten und Jahren auf dieser Nähmaschine entstehen wird. (Unser Jüngster hat schon viele Ideen was er machen möchte. Falls nötig würde er auch eine Hose zerreissen, nur um etwas nähen zu können.) Aber wer weiss, vielleicht entsteht hier auch die eine oder andere Heldentat des Alltags…

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